Eine heftige zweite Welle an Corona-Infektionen hält die Welt erneut im Würgegriff. Die Sorge an den Ölmärkten wächst, dass es wieder zu einem Preiseinbruch vergleichbar zum Frühjahr kommen könnte. Damals hatte die OPEC historisch hohe Produktionskürzungen beschlossen, um die schwindende Nachfrage auszugleichen und die Preise zu stabilisieren. Eigentlich sollten diese Kürzungen im Januar deutlich reduziert werden. Doch dies könnte sich nun als Fehler erweisen.
OPEC muss Entscheidungen treffen
Ab Mai kürzte die OPEC gemeinsam mit ihren Partnerstaaten rekordverdächtige 9,7 Mio. Barrel täglich. Dies entsprach einer Reduktion des weltweiten Ölangebotes um etwa 1,54 Mrd. Liter am Tag. So stark hatte die OPEC ihr Angebot noch nie zuvor reduziert und entsprechend zeigte die Maßnahme schnell Wirkung. Die Ölpreise stabilisierten sich in den Sommermonaten und trotz der Anpassung der Kürzungen auf 7,7 Mio. Barrel (à 159 Liter) im Juli brachen die Preise nicht erneut ein.
Der Plan der OPEC und ihrer Partner sah vor, die Kürzungen ab Januar erneut anzupassen und dann nur noch 5,7 Mio. Barrel täglich zu reduzieren. Doch nun könnte es nötig werden, diese im Frühjahr gefassten Pläne zu überdenken, denn nicht nur ist die Corona-Pandemie so präsent wie nie, auch aus den eigenen OPEC-Reihen steigt die Ölproduktion stärker an als erwartet.
Grund ist Libyen, dessen Ölproduktion seit Jahresbeginn wegen des heftigen Bürgerkrieges im Land nahezu lahmgelegt war. Das Land mit den größten Ölreserven Afrikas produzierte am Ende gerade mal noch 90.000 Barrel pro Tag (im Vergleich zu 1,7 Mio. Barrel im Vorjahr). Inzwischen herrscht Waffenstillstand in Libyen und die Ölproduktion nimmt wieder an Fahrt auf. In der vergangenen Woche soll das Land schon wieder 0,5 Mio. Barrel Öl produziert haben.
Damit kommt eine unerwartet große Menge an Öl auf den Weltmarkt, mit der die OPEC nicht gerechnet hat. Gleichzeitig stagniert die Nachfrageerholung bei steigenden Fallzahlen und Verschärfungen der Corona-Beschränkungen. Sollte die OPEC nun ihre Förderkürzungen ebenfalls lockern, würde sich aller Wahrscheinlichkeit nach ein Überangebot auf dem Weltmarkt ergeben, das die Ölpreise bedeutend unter Druck brächte.
Wichtige Vertreter der OPEC und ihrer Partner treffen sich heute zur Videokonferenz, um das weitere Vorgehen zu diskutieren. Die Marktteilnehmer erwarten sich davon mögliche neue Hinweise zu einer Verschiebung der Kürzungsanpassung im Januar. Eine endgültige Entscheidung wird allerdings wohl erst Ende November/Anfang Dezember getroffen, wenn die offizielle Vollversammlung stattfindet.