Heute kommt die OPEC zu ihrer lang erwarteten Vollversammlung in Wien zusammen. Marktteilnehmer hatten in den letzten Tagen mit Spannung den Atem angehalten, jede kleinste Spekulation über einen Ausgang des Treffens hatte sofort zu Kursschwankungen geführt. Nachdem der iranische Ölminister gestern angedeutet hatte, sich doch auf eine Steigerung der Förderquote einlassen zu wollen, waren die Preise zunächst gesunken. Heute morgen starteten sie jedoch wieder auf höherem Niveau. Ein klarer Richtungsimpuls ist nach wie vor nicht erkennbar. Nachrichten wie die brennenden Häfen in Libyen, die zu einem massiven Produktionsrückgang geführt haben, werden da zur reinen Randnotiz und haben kaum Einfluss auf die börsengehandelten Rohölpreise. Alles fokussiert sich zur Zeit auf das OPEC Meeting.
Kompromiss bahnt sich an
Die insgesamt 14 Mitgliedsstaaten der OPEC kommen heute in der Wiener Hofburg zum vielleicht wichtigsten Treffen des Jahres zusammen. Die Positionen könnten unterschiedlicher kaum sein: Saudi-Arabien möchte lieber heute als morgen ein Ende der Kürzungen und hat seine Produktion schon im Vorfeld angehoben. Rückenstärkung dafür kam vom Verbündeten Russland. Länder wie Iran und Venezuela hingegen sind vehement gegen eine Anhebung der Förderung und hatten zuletzt mit einem Veto bei der Abstimmung gedroht.
Bis in die Nacht hinein hatte man in Einzeltreffen beraten und gerungen um Kompromisse, die heute zu einer einstimmigen Entscheidung führen sollen. Das Joint Ministerial Monitoring Committee (JMMC), ein Beratungsgremium, dessen Mitglieder sich aus OPEC und Nicht-OPEC Ländern zusammensetzt, hatte gestern noch zu einer Förderanhebung um etwa 1 Mio. Barrel (159 Mio. Liter) geraten und schloss sich damit dem Vorschlag Saudi-Arabiens an. Binden ist diese Empfehlung allerdings nicht.
In den Augen der Analysten und unabhängigen Experten, die seit Tagen und Wochen die Entwicklung beobachtet haben, ist ein Kompromiss der wahrscheinlichste Ausgang des Meetings. Eventuell wird man eine Anhebung der Fördermengen um etwa 0,5 bis 0,6 Mio. Barrel, also etwa 79,5 bis 95,4 Mio. Liter beschließen. Dies könnte ein gemeinsamer Nenner für alle beteiligten Parteien sein.
Der Iran könnte zum Stolperstein werden
Wo zum Wochenbeginn noch Widerstand gegen eine Anhebung der Fördermengen zu spüren war, scheint ein Konsens nun gefunden. Laut dem saudischen Ölminister Khalid al-Falih gebe es inzwischen eine überwältigende Mehrheit für eine Produktionssteigerung. Auch Länder wie der Irak, der noch vor einigen Tagen gegen eine solchen Beschluss gewesen war, seien nun mit an Bord.
Einzig der iranische Ölminister hält an seinen Aussagen fest und will noch keine Einigung sehen. Der Iran ist klar gegen eine Produktionssteigerung, da man hier von den hohen Ölpreisen profitiert. Die Sanktionen der USA bewirken einen Rückgang der Ölproduktion und -exporte des Landes, so dass sinkenden Ölpreise deutliche Verluste bedeuten würden.
Zwar könnte man eine Anhebung der Förderquote auch ohne den Iran durchdrücken, allerdings erfordert eine Entscheidung wie diese eigentlich ein einstimmiges Ergebnis. Die Glaubwürdigkeit des Kartells könnte durchaus beschädigt werden, sollte man nun von dieser Praxis abweichen. Der Ausgang des Treffens ist demnach noch längst nicht sicher und das Finden eines Kompromisses könnte zur Zerreißprobe für das Kartell werden.
Ausblick
Bei den Inlandspreisen sorgt heute vor allem der starke Euro für Preisnachlässe, da die Importpreise für Öl damit niedriger sind. Heute Morgen liegen die Preise für 100 Liter Heizöl etwa -0,40 bis -0,60 Euro niedriger als gestern. Eine Prognose ist jedoch schwierig, solange keine eindeutigen Nachrichten aus Wien kommen.