Libyen ist das Land mit den größten Erdölvorkommen auf dem afrikanischen Kontinent. Allerdings war die Ölförderung aufgrund eines Bürgerkrieges zuletzt fast vollständig zum Erliegen gekommen. Doch nun herrscht seit einigen Wochen schon Waffenstillstand und Libyens Öl beginnt wieder zu sprudeln. Der Zeitpunkt könnte allerdings angesichts der Corona-Krise kaum ungünstiger sein.
Ölanlagen gehen wieder ans Netz
Seit Anfang des Jahres waren fast alle Ölanlagen Libyens, von Pipelines über Ölbohranlagen bis zu Verladehäfen, von bewaffneten Rebellen blockiert gewesen. Hatte die Förderung des Landes im Dezember noch etwa 1,7 Millionen Barrel (à 159 Liter) täglich betragen, sank sie im Juli auf nur noch 90.000 Barrel pro Tag.
Mit dem im August ausgehandelten Waffenstillstand wurden sukzessive auch die Blockaden an den libyschen Ölanlagen aufgehoben und seit einigen Wochen gehen immer mehr Ölfelder zurück ans Netz und die Förderung läuft wieder an. Vor einer Woche konnte schließlich auch das größte libysche Ölfeld, El Sharara, wieder in Betrieb genommen werden und dürfte in den nächsten Tagen eine Kapazität von 250.000 Barrel am Tag erreichen. Die Gesamtförderung des Landes läge damit bei mindestens 750.000 Barrel täglich.
Mehr Öl trotz schwacher Nachfrage – Ein Problem für die OPEC
Libyens steigende Ölförderung bedeutet, dass mehr Öl auf dem Weltmarkt zur Verfügung steht. Doch die schwache Corona-Nachfrage bleibt das große Sorgenkind an den Ölmärkten, denn sie erholt sich längst nicht so schnell, wie man noch im Sommer gehofft hatte. Noch mehr Öl führt damit zwangsläufig zu einer weltweiten Überversorgung, die sich belastend auf die börsengehandelten Rohölpreise auswirkt.
Dieser Problematik ist sich auch die Organisation Erdölexportierender Länder (OPEC) bewusst und hat schon im Frühjahr historische Förderkürzungen für ihre Mitglieder verhängt, um eine komplette Überversorgung aufzufangen. Damals fiel das bürgerkriegsgebeutelte Libyen als Ölproduzent kaum ins Gewicht, so dass das Land offiziell von den Kürzungen ausgenommen wurde. Die Wiederaufnahme der libyschen Bohrtätigkeit könnte die OPEC nun zum Handeln zwingen.
Eigentlich wollte das Produzentenbündnis ab Januar 2021 wieder 2 Millionen Barrel mehr pro Tag an Produktion zulassen. Doch möglicherweise wird diese Maßnahme erst einmal bis auf Weiteres verschoben, um Libyens zusätzliche Mengen aufzufangen. Das wirtschaftlich stark leidende Land ist auf die Einnahmen aus den Ölverkäufen dringen angewiesen und wird deshalb kaum dazu gezwungen werden können, die gerade erst wieder angelaufenen Ölindustrie wieder einzustampfen.