Die Ölpreise notieren am frühen Mittwochmorgen knapp behauptet, nachdem sie gestern ein weiteres Mal auf ein neues Vier-Monats-Hoch geklettert waren. Rohstoffanalysten hatten die Auswirkungen der jüngsten Angriffe der Ukraine auf russische Raffinerien bewertet und dabei erhebliche Risiken für die weltweite Erdölversorgung ausgemacht.
So hat zwar die eingeschränkte Raffinerietätigkeit mittlerweile zu einem Anstieg der russischen Rohölexporte geführt. In einer weiteren Konsequenz könnte es allerdings auch zu Kürzungen der Rohölproduktion führen, da das Land mit Lagerknappheit zu kämpfen hat.
Vor diesem Hintergrund verteuerte sich die Nordsee-Sorte Brent und die US-Sorte WTI um 0,6% bzw. 0,9% auf 87,38 bzw. 83,47 Dollar pro Barrel (159 Liter). Für beide Ölsorten war es der höchste Stand seit Ende Oktober vergangenen Jahres.
JP Morgan: Raffinerieausfälle höher als bislang vermutet
Noch vor einigen Tagen hatten Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters ergeben, dass sich die durch Drohnenangriffe stillgelegten russischen Ölraffineriekapazitäten im ersten Quartal auf ca. 370.500 Barrel pro Tag belaufen könnten, was etwa 7% der Gesamtkapazität entsprechen würde.
Nun allerdings schätzen Analysten der US-Investmentbank JPMorgan Chase & Co., einem aktuellen Bericht zufolge, dass durch die ukrainischen Angriffe täglich etwa 900.000 Barrel der russischen Ölraffineriekapazität außer Betrieb genommen wurden. Es könnte „mehrere Wochen, wenn nicht Monate“ dauern, bis die Kapazitäten wiederhergestellt sind, wobei die Angriffe einen Risikoaufschlag von etwa 4 Dollar pro Barrel auf die globalen Rohölpreise bedeuten, so die Analysten.
Angriffe verteuern vor allem Benzin und Diesel
Torbjörn Törnqvist, Vorstandsvorsitzender der Gunvor Group, eines der weltweit größten unabhängigen Ölhandelsunternehmen, schätzt, dass etwa 600.000 Barrel der täglichen Ölraffineriekapazität Russlands durch ukrainische Drohnenangriffe außer Betrieb gesetzt worden sind.
„Das ist bedeutsam, weil dies natürlich sofort die Destillatexporte treffen wird“, sagte Törnqvist in einem Interview. „Das wird die Exporte wahrscheinlich um ein paar hunderttausend Barrel verringern, also ist es für mich ein Destillatproblem.“
Die Drohnenangriffe vom Wochenende hatten russische Raffinerien selbst weit im Landesinneren getroffen, was die Preise für zukünftige Diesel und Benzin-Lieferungen zum wiederholten Male ansteigen ließ.
Steigende Raffineriepreise verteuern Produkte
Analyst Bjarne Schieldrop vom führenden schwedischen Finanzdienstleistungskonzern SEB verweist auf den Umstand, dass es zu Auswirkungen auf die Ölpreise durch steigende Margen bei raffinierten Produkten (Heizöl, Diesel, Benzin, Kerosin) kommen könnte, selbst wenn die Angriffe nicht zu einem direkten Verlust der russischen Rohölversorgung führen.
Russland will Raffinerien besser schützen
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete gestern, dass das russische Energieministerium angekündigt hat, seine Öl- und Gasinfrastruktur gegen ukrainische Angriffe mit Raketen zu verteidigen. Laut Artyom Verkhov, dem Direktor der Abteilung für die Entwicklung der Gasindustrie im Energieministerium, sei ein Abwehrsystem bereits in Arbeit. „Wir arbeiten gemeinsam, auch mit Kollegen der russischen Nationalgarde, an der Installation von Raketenabwehrsystemen“, sagte Verkhov.
Heizölpreise geben leicht nach
Nachdem sich die Notierungen für Gasöl, dem Vorprodukt für Diesel und Heizöl, heute Morgen einigermaßen stabil zeigen, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet je nach Region etwa -0,30 bis -0,90 Euro pro 100 Liter weniger bezahlen als noch am Dienstag.