In der ersten Wochenhälfte rutschten die Rohölpreise an den internationalen Börsen auf den tiefsten Stand seit über fünf Wochen. Noch dramatischer fiel der Preisrutsch bei den börsengehandelten Produktenkontrakten aus, die maßgeblich für den Diesel- und Heizölpreis verantwortlich sind. Sie rutschten auf den tiefsten Stand seit Dezember 2021. Doch was steckt hinter dem Preisrutsch und was haben die Notenbanken EZB und Fed damit zu tun?
Ölbörsen preisen zukünftige Entwicklungen am Ölmarkt ein
Gehandelt wird an den internationalen Ölbörsen mit sogenannten Futures, also Warentermingeschäfte – und wie der Name vermuten lässt, liegen diese meist mehrere Monate in der Zukunft. Das wiederum heißt, dass an den Ölbörsen oft schon eingepreist wird, was möglicherweise erst in der Zukunft passieren wird. Maßgeblich sind dafür Prognosen zur Marktentwicklung, mit denen die Anlegen ihre Entscheidungen treffen können.
In Zeiten erhöhter Unsicherheit und Krisen ist das aber nicht ganz so einfach. Entsprechend volatil kann es dann an den Ölbörsen zugehen. Spätestens seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges letztes Jahr haben die Unsicherheiten im Energiesektor massiv zugenommen und für heftige Schwankungen bei den Ölpreisen gesorgt.
Angebot und Nachfrage – diffizile Balance
Die entscheidende Frage ist dabei auch am Ölmarkt natürlich die nach Angebot und Nachfrage. Ersteres hat sich durch verschiedene Faktoren in den letzten Monaten verknappt – vorwiegend durch die vielen Sanktionen gegen Russland, die dazu führen, dass kaum nach russisches Öl nach Europa oder Amerika geliefert wird. Stattdessen hat Moskau nun mit China und Indien zwei neue Hauptabnehmer.
Die Nachfrageseite ist allerdings die weitaus schwerer einzuschätzende und hat in den letzten Monaten immer wieder für Preiseinbrüche gesorgt. Denn während eine knappe Angebotslage die Ölpreise stützt, lässt eine schwache Nachfrage nach Öl und Ölprodukten den Ölpreis sinken. Und die globale Ölnachfrage ist stark an die konjunkturelle Entwicklung gekoppelt – auch und vor allem in Wirtschaftsnationen wie China und den USA.
Multiple Krisen sorgen für Kursschwankungen
Allerdings machen sich hier die multiplen Krisen der vergangenen Jahre bemerkbar. Während China, der größte Ölimporteur der Welt, sich erst im vergangenen Dezember von den sehr strengen Corona-Einschränkungen verabschiedet hat, leidet Amerika, ebenso wie Europa unter einer enorm hohen Inflation, die unter anderem durch die Energiekrise in die Höhe geschossen ist.
Das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern und Regionen steht somit auf wackligen Beinen und das Schreckgespenst Rezession verunsichert auch die Ölbörsen. Denn im Falle eines konjunkturellen Abschwunges würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die Ölnachfrage einbrechen. Zuletzt war das durch die Shutdowns im Zuge der Corona-Pandemie 2020 passiert und ist den Tradern damit noch sehr präsent
Rezessionsangst geht um – Hohe Leitzinsen belasten
Zuletzt waren vor allem in den USA auch noch Turbulenzen am Bankensektor hinzugekommen, die sofort wieder Erinnerungen an die Finanzkrise von 2008 weckten. Und dabei kommen nun auch die Notenbanken ins Spiel, denn diese hatten in den vergangenen Monaten ihre Leitzinsen sehr aggressiv in die Höhe geschraubt. Für die internationalen Währungshüter ist dies das wirksamste Mittel, die enorme Inflation einzudämmen.
Während hohe Leitzinsen für die Bevölkerung das Sparen attraktiv machen soll, belasten sie gleichzeitig die Industrie und Wirtschaft eines Landes. Damit wiederum steigt die Rezessionsgefahr, die dann wiederum neue Angst vor einem Nachfrageeinbruch an den Ölbörsen entfacht. Der jüngste Kursrutsch an den Ölbörsen war maßgeblich deshalb zustande gekommen, weil sowohl die US-Notenbank Fed als auch die europäische Zentralbank EZB in dieser Woche ihre Leitzinsen erneut nach oben geschraubt hatten.
Dies hatten die Anleger weltweit schon erwartet, da die Inflation sowohl in den USA als auch in der EU weiterhin auf einem zu hohen Niveau liegt, auch wenn zuletzt eine langsame Abschwächung zu beobachten war. Die Notenbänkerinnen und -bänker hatten im Vorfeld aber klar gemacht, dass weitere Zinsanhebungen notwendig seien.
Kursrutsch wegen steigender Nachfragesorgen
An den Ölbörsen genügte das, um eine Verkaufswelle auszulösen. Die Anleger preisten schon im Vorfeld einen konjunkturellen Abschwung und damit eine sinkende Ölnachfrage in den USA ein. Hinzu kam, dass auch die Konjunkturdaten aus China Anfang der Woche enttäuschend ausgefallen waren und in der Volksrepublik eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums zu befürchten steht. Sollte dies der Fall sein, könnte auch die chinesische Nachfrage ins Stocken geraten.
Unsicherheit bleibt, Ölbörsen schwanken
Insgesamt bleiben die Prognosen für den Ölmarkt schwankend. Zwar gab es zuletzt tatsächlich mehr und mehr Signale für eine sinkende Nachfrage, doch gerade in China deutet auch vieles darauf hin, dass sich der Bedarf an Öl und Ölprodukten weiterhin robust entwickelt. Zudem hat die US-Notenbank angedeutet, ihre Zinsstraffungen möglicherweise nach diesem Monat zu beenden, was der Konjunktur einen Schub geben dürfte.
Da außerdem auf der Angebotsseite für den Rest des Jahres immer noch eine Verknappung erwartet wird, dürfte das Abwärtspotenzial an den Börsen begrenzt bleiben. Entsprechend haben sich die Kurse zum Ende der Woche wieder stabilisiert und einen Teil der Verluste aus der ersten Wochenhälfte wieder wett gemacht. Ein Ende der Volatilität ist im Lichte der vielen krisenbedingten Unsicherheiten am Markt also noch lange nicht in Sicht.