Die Heizölpreise klettern in Deutschland in diesen Tagen auf Niveaus, die zuletzt Ende Januar dieses Jahres zu zahlen waren. Auch die Verbraucher in den USA sehen sich beim Heizöl mit höheren Kosten konfrontiert, die zuletzt ein Zehn-Monats-Hoch erreichten.
Globale Lagerbestände stark abgebaut
Einer der Hauptgründe für diese Entwicklung findet sich in dem Fakt, dass die weltweiten Lagerbestände an Destillaten nach wie vor viel niedriger als für die Jahreszeit üblich sind. Dieser Umstand treibt zudem die Kraftstoffpreise an den Tankstellen weiter nach oben.
Destillate wie Diesel, Gasöl und Heizöl sind die wichtigsten von der Industrie verwendeten Brennstoffe, die Lagerbestände korrelieren normalerweise stark mit dem Produktionszyklus. Im August waren die Bestände in allen wichtigen globalen Verbrauchsregionen jedoch stark abgebaut, obwohl sich die Produktionstätigkeit und der Güterverkehr im vergangenen Jahr deutlich verlangsamt hatten:
- Die US-Bestände an destilliertem Heizöl lagen im August um 23 Millionen Barrel (a 159 Liter) oder minus 16 Prozent unter dem saisonalen Zehnjahresdurchschnitt.
- Die europäischen Destillatvorräte lagen 35 Millionen Barrel oder minus 8 Prozent unter dem zehnjährigen saisonalen Durchschnitt.
- Die Destillatbestände in Singapur lagen mehr als 3 Millionen Barrel oder minus 31 Prozent unter dem Zehnjahresdurchschnitt.
Defizitausweitung führt zu Preisschub
Insgesamt hat sich das Defizit gegenüber dem vorherigen Zehnjahresdurchschnitt seit März und April dieses Jahres vergrößert, was bei den Destillaten zu einem Preisschub führte. Anfänglich wurde der Aufwärtsdruck auf die Raffineriemargen für Destillate durch den Abwärtsdruck auf die zugrunde liegenden Rohölpreise überdeckt. Seit Juli sind jedoch sowohl die Rohölpreise als auch die Raffineriegewinnspannen für Destillate gestiegen, so dass der Gesamtpreis für Brennstoffe in die Höhe schoss.
Die Großhandelspreise für Heizöl im Raum New York lagen im August im Durchschnitt fast 66 Cent pro Gallone (a 3,79 Liter) oder 28 Dollar pro Barrel höher als im Juni. Nahezu 11 Dollar des Anstiegs waren auf die höheren Rohölpreise zurückzuführen, aber mehr als 16 Dollar auf die gestiegenen Raffineriemargen.
Gewinnspannen auf Sechs-Monats-Hoch
Die Preise für Destillate werden derzeit sowohl durch die von Saudi-Arabien und seinen OPEC-Verbündeten angekündigten zusätzlichen Produktionskürzungen für Rohöl als auch durch die Verknappung der weltweiten Raffineriekapazitäten in die Höhe getrieben. Die Raffinerien haben Mühe, mit dem Nachfragewachstum Schritt zu halten. Die Umstellung auf neue Rohstoffe, Betriebsausfälle und hohe Temperaturen zwangen viele Betreiber dazu, ihre Produktionsleistung zu reduzieren. Die angespannten Benzin- und Dieselmärkte ließen die Gewinnspannen zuletzt auf ein Sechs-Monats-Hoch anziehen.
Produktionskürzungen und fehlende Raffineriekapazitäten
Die Produktionskürzungen der großen Exporteure im Nahen Osten wirken sich unverhältnismäßig stark auf den Dieselmarkt aus, da ihre schwereren Rohöle bei der Raffination einen höheren Anteil an Mitteldestillaten ergeben. Aber auch in Europa und Nordamerika gibt es einen Mangel an Raffineriekapazitäten, um genügend Rohöl in Diesel und andere Mitteldestillate umzuwandeln.
Die Dieselknappheit ist symptomatisch für den Mangel an freien Kapazitäten, nachdem die Covid-Pandemie zu einer Unterbrechung der Versorgungsketten geführt hatte und die Politik im Anschluss daran eine schnelle Erholung der Wirtschaft forcierte.
Versorgungsengpässe könnten sich noch ausweiten
Der Verbrauch von Destillaten dürfte weiter steigen, wenn die US-Wirtschaft eine Rezession vermeiden kann und wieder schneller wächst. Sollten auch die Volkswirtschaften in Europa und China ihre derzeitigen konjunkturelle Schwächephase überwinden, würde dies den Dieselverbrauch noch weiter ankurbeln. Sobald die Weltwirtschaft, wie momentan prognostiziert, Ende 2023 und bis 2024 wieder schneller wächst, dürften sich die Versorgungsengpässe wahrscheinlich sogar noch deutlicher bemerkbar machen.
Die internationalen Energieagentur (IEA) warnte am Mittwoch davor, dass die von Saudi-Arabien und Russland bis Ende 2023 verlängerten Ölförderkürzungen im vierten Quartal zu einem erheblichen Marktdefizit führen. Gleichzeitig blieben die Aussichten für den globalen Verbrauch im laufenden und im kommenden Jahr weitgehend unverändert.
Rohölpreise könnten noch weiter zulegen
Nun werden die Preise an den Rohölmärkten zwar als bereits relativ hoch wahrgenommen. Sie können aber noch viel weiter steigen, wenn die Rohölkosten weiter anziehen und die Raffineriekapazitäten knapp bleiben. Zur besseren Einschätzung: Die US-Destillatpreise erreichten im Mai 2022 (nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine) einen Höchststand von 200 US-Dollar pro Barrel, im April 2011 (inmitten von Rohölknappheit) 185 US-Dollar und im Juni 2008 (vor der Finanzkrise) 228 US-Dollar.
In diesen Bereichen bewegen sich die Rohölpreise zwar noch lange nicht, dennoch übersprangen die Notierungen bei der Sorte WTI gestern die 90-Dollar-Marke und Brent-Öl verteuerte sich um weitere 2 Prozent. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen im Schnitt etwa +1,25 bis +1,85 Euro pro 100 Liter mehr bezahlen als noch am Donnerstag.