In Libyen könnte der seit Jahren andauernde Bürgerkrieg bald beendet sein. Die Ölproduktion des Landes, die seit Januar nahezu stillstand, nimmt wieder zu und damit kommt auch wieder mehr Rohöl auf den Weltmarkt. Dies könnte sich allerdings bald zum Problem entwickeln, denn mit einer coronabedingt extrem schwachen Nachfrage ist der Markt sowieso schon fast überversorgt. Noch mehr Öl könnte die Preise weiter belasten.
Ölblockaden in Libyen aufgehoben
In Libyen standen sich seit dem Sturz des Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 zwei rivalisierende Lager gegenüber und stürzten das Land in einen jahrelangen Bürgerkrieg. Seit Januar diesen Jahres waren die meisten Ölanlagen des ölreichen Landes blockiert gewesen und die Ölproduktion, welche noch im letzten Jahr etwa 1,2 Millionen Barrel (à 159 Liter) täglich betrug, sank auf zuletzt nur noch etwa 90.000 Barrel am Tag. Für das sowieso schon kriegsgebeutelte Land bedeute der Wegfall der Einnahmen einen weiteren Tiefschlag.
Seit diesem Monat nun gibt es Friedensverhandlungen und die Blockaden wurden offiziell aufgehoben. Entsprechend nimmt die Ölförderung in Libyen wieder zu, genau so wie die Ölexporte, seit an den Verladeterminals wieder Öltanker anlegen und beladen werden dürfen. Zuletzt hieß es von der staatlichen Ölgesellschaft Libyens (National Oil Corp. NOC), die Produktion des Landes liege inzwischen wieder bei 250.000 Barrel am Tag. Die Tendenz ist steigend, da fast täglich neue Raffinerien, Ölbohranlagen und Verladeterminals wieder hochgefahren werden.
Droht eine Überversorgung?
Libyen ist aufgrund seines Ölreichtums Mitglied der OPEC+. Allerdings war das Land wegen des Bürgerkrieges zuletzt von den Förderkürzungen der Organisation ausgenommen. Diese waren im Frühjahr beschlossen worden, um den massiven Nachfrageeinbruch durch Corona aufzufangen und hatten die Ölpreise in den Sommermonaten erfolgreich stabilisiert. Doch nun könnte es zu Problemen kommen, denn eigentlich hatte die OPEC+ gehofft, die starken Kürzungen sukzessive zurückfahren zu können.
Doch die Welt erholt sich nicht so schnell von der Pandemie wie manch einer gehofft hatte. Im Gegenteil – die Infektionszahlen steigen und neue Lockdowns werden zu einer realen Gefahr für die Nachfrageerholung. Der Markt kann damit im Moment alles gebrauchen, nur nicht mehr Öl. Das ist auch der OPEC+ bewusst, die nun entscheiden muss, ob die Quoten – möglicherweise gegen den starken Widerstand einiger Mitglieder – wieder erhöht werden sollen.
Ausblick
Die börsengehandelten Rohölpreise sind schon seit geraumer Zeit unter Druck und haben auch gestern ein gutes Stück nachgegeben. Die Heizölpreise sind damit heute ebenfalls etwas niedriger als gestern. Für 100 Liter zahlen Verbraucher heute etwa -0,60 bis -0,80 Euro weniger als gestern.