Imperien neigen dazu, nicht zu bemerken, wenn sie den Zenit ihrer Macht überschritten haben. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und ihre Partner (OPEC+) spielen zwar aktuell einmal mehr ihre Macht aus, indem sie durch massive Förderkürzungen das Angebot an Rohöl verknappen und die Preise nach oben treiben. Seit einiger Zeit sind nun aber bei der globalen Exploration neuer Ölvorkommen Entwicklungen zu beobachten, die die Vormachtstellung des Kartells nachhaltig untergraben können.
2016: OPEC baut Einfluss weiter aus
Die OPEC wurde 1960 gegründet und besteht aus 13 Mitgliedsländern, darunter Saudi-Arabien, der Iran, Irak und Venezuela. Diese Länder haben historisch einen erheblichen Einfluss auf die Ölpreise und die weltweite Ölproduktion gehabt. Im Jahr 2016 schlossen sich ihnen 10 Nicht-OPEC-Länder, darunter Russland, an, um die sogenannte OPEC+ zu bilden. Gemeinsam haben sie erheblichen Einfluss auf den globalen Ölmarkt.
Der Anteil von OPEC+ an der weltweiten Ölproduktion
Im Jahr 2021 kontrollierte OPEC+ etwa 40 Prozent der weltweiten Ölproduktion. Dieser Anteil war in den Jahren zuvor tendenziell gesunken, aber die Gruppe behielt weiterhin die Fähigkeit, die Preise zu beeinflussen. Dies lag vor allem an den Förderkürzungen, die OPEC+ während der COVID-19-Pandemie umsetzte, um den Ölmarkt zu stabilisieren. Allerdings stehen sie auch vor Herausforderungen, da die weltweite Nachfrage nach erneuerbaren Energien steigt und der Druck zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen wächst.
Guyana – kleines Land, riesige Ölvorkommen
Guyana, ein kleines Land in Südamerika, hat in den letzten Jahren als aufstrebender Ölproduzent an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2015 wurden große Ölvorkommen vor der Küste entdeckt, und die Produktion begann 2020. Seit Beginn der kommerziellen Ölförderung ist es zu einem der am schnellsten wachsenden Rohölproduzenten der Welt geworden. Guyana ist kein Mitglied der OPEC oder OPEC+, was es in eine einzigartige Position bringt. Erst vor wenigen Monaten bestätigte der guyanische Vizepräsident Bharrat Jagdeo, dass das südamerikanische Land keinerlei Interesse habe, der OPEC beizutreten. Die Diversifizierung der globalen Ölproduktion durch aufstrebende Akteure wie Guyana könnte die Macht der OPEC schwächen.
Brasilien wird Ölproduktion massiv ausbauen
Brasilien, ein weiteres aufstrebendes Ölland in Südamerika, hat bereits eine etablierte Ölindustrie. Das Land gehört jedoch nicht zur OPEC oder OPEC+. Brasilien hat in den letzten Jahren seine Offshore-Ölförderung erheblich ausgebaut und plant, weiter zu expandieren. Von derzeit 3,1 Millionen Barrel (a 159 Liter) pro Tag soll die Produktion bis 2029 auf 5,4 Millionen Liter gesteigert werden. Die Entwicklung neuer Ölvorkommen und die Steigerung der Förderkapazitäten könnten dazu beitragen, die Abhängigkeit von OPEC-Öl zu verringern.
Afrika mit riesigem Nachholbedarf
In Afrika ziehen große Ölfunde die führenden Energiekonzerne wieder an. Vor allem Offshore Ölfelder sind weniger anfällig für politische Unruhen, und in Kombination mit stabilen Preisen macht ist die Erschließung dieser Ölfelder für die Konzerne wieder attraktiver geworden. Bereits vor einigen Jahren kündigten Angola, Kamerun, Republik Kongo, Demokratische Republik Kongo, Äquatorial Guinea, Ghana, Mosambik, Nigeria, Elfenbeinküste, Somalia, Südsudan und Uganda an, neue Lizenzen für Öl- und Gasexploration zu vergeben. Erst vor wenigen Wochen hatte beispielsweise der italienische Energieversorger Eni bekannt gegeben, dass man mit der Förderung aus dem bislang den größten Öl- und Gasfund im Sediment der Elfenbeinküste begonnen hat.
Machtverhältnisse können sich verschieben
Die Dominanz der OPEC+ in der weltweiten Ölproduktion bleibt erheblich, aber sie ist nicht unantastbar. Aufstrebende Ölnationen wie Guyana und Brasilien sowie die riesigen Ölvorkommen Afrikas könnten dazu beitragen, die Dominanz der OPEC mittelfristig zu schwächen. In einer Welt, die verstärkt auf erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit setzt, ist die Zukunft der Ölindustrie im Wandel begriffen, und die Machtverhältnisse könnten sich zu Ungunsten der OPEC verschieben.
Bis es allerdings soweit ist, werden Kundinnen und Kunden beim Heizölkauf weiter mit den Auswirkungen der aktuellen Produktionskürzungen durch die OPEC konfrontiert. Nachdem sich die Preise für Gasöl, dem Vorprodukt für Dieselkraftstoff und Heizöl, zum Wochenauftakt wieder leicht verteuerte haben, spiegelt sich diese Aufwärtsbewegung auch bei den Heizölpreisen wider. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen im Schnitt etwa +0,95 bis +1,75 Euro pro 100 Liter mehr bezahlen als noch am Dienstag.