Alle Jahre wieder kommen in der Vorweihnachtszeit traditionell die Weisen aus den Analyse-Abteilungen der Großbanken zusammen, um im Anschluss ihre Prognosen zur zukünftigen Entwicklung der Finanz- und Rohstoffmärkte zu verkünden. Angesichts der Tatsache, dass die Ölpreise seit Ende September deutlich von ihren Jahreshöchstständen zurückgekommen sind, sieht die Analystengilde einen gewissen Spielraum für eine Erholung der Ölpreise im nächsten Jahr.
Dass die Ölpreise im Herbst unter Druck gerieten, war auf Nachfragesorgen, einen unerwartet kräftigen Anstieg der US-Ölproduktion und der Aussicht auf ein beträchtliches Überangebot in den ersten Monaten des Jahr 2024 zurückzuführen.
Ölnachfrage wird 2024 weiter zulegen
Alle Banken sagen dabei voraus, dass die weltweite Ölnachfrage im Jahr 2024, angetrieben durch China, gegenüber dem diesjährigen Rekordniveau weiter zulegen wird. Die Analysten sind sich allerdings uneins über das Ausmaß der Steigerung und darüber, wie leicht sie durch das zusätzliche Angebot befriedigt werden kann.
Insgesamt ist die Stimmung vorsichtiger als zu Beginn dieses Jahres, als mehrere führende Branchenvertreter eine Rückkehr des Rohölpreises auf 100 Dollar pro Barrel vorhersagten. Diese optimistischen Prognosen wurden durch die überraschend hohe Fördermenge von Produzenten wie den USA, Guyana und dem Iran zunichte gemacht.
Goldman Sachs am optimistischsten
Die Prognosen für die globale Referenzsorte Brent liegen für 2024 im Durchschnitt bei etwa 85 Dollar pro Barrel. Verglichen mit dem derzeitigen Stand bei 78 Dollar ergibt sich damit ein Kurspotenzial von fast 10%. Von den sechs prognostizierenden Bankhäusern kommt von der Citigroup Inc. mit 75 Dollar pro Barrel die niedrigste Schätzung und von der Investmentbank Goldman Sachs Group Inc. mit 92 Dollar die höchste.
OPEC hat es in der Hand
Die Citigroup – deren Prognose vom Dezember letzten Jahres, dass Brent in diesem Jahr durchschnittlich 80 Dollar pro Barrel kosten würde, sich als nahezu zutreffend erwiesen hat – geht davon aus, dass die globalen Ölmärkte im nächsten Jahr einen Überschuss aufweisen werden.
Angesichts des weltweiten Nachfragewachstums, das durch „wirtschaftlichen und energiewirtschaftlichen Gegenwind“ und robuste Lieferungen aus den USA gebremst wird, erwartet die Bank, dass die OPEC+ ihre Produktionskürzungen beibehalten muss, um die Preise in der Nähe des derzeitigen Niveaus zu halten.
„Es liegt in der Hand der OPEC, den Markt zusammenzuhalten“, betonte Max Layton, Leiter der Rohstoffanalyse der Citigroup, kürzlich in einem Interview. „Wir rechnen mit einer Stabilisierung der Preise“.
Wall-Street-Banken rechnen mit Preisstabilisierung
JPMorgan Chase & Co., die treffend vorausgesagt hatte, dass Brent Schwierigkeiten haben würde, die 100-Dollar-Marke zu knacken, geht davon aus, dass Rohöl im nächsten Jahr durchschnittlich 83 Dollar pro Barrel kosten wird. Seit Juni hat die Bank ihre Schätzung für 2023 bei 81 Dollar pro Barrel gehalten, was dem tatsächlichen Durchschnitt von 82,30 Dollar nahekommt. Morgan Stanley geht davon aus, dass Brent im nächsten Jahr im Durchschnitt 85 Dollar pro Barrel kosten wird, während die Bank of America einen Durchschnitt von 90 Dollar prognostiziert.
Goldman Sachs zeigt sich bei den Prognosen am optimistischsten. Die Investmentbanker schätzen, dass die weltweite Ölnachfrage im nächsten Jahr um 1,6 Millionen Barrel pro Tag steigen wird, und erwartet, dass die OPEC-Kernmitglieder das Angebot an der kurzen Leine halten werden. Dies wird den Weltmärkten ein „bescheidenes Defizit“ bescheren und die Preise in einer Spanne von 80 bis 100 Dollar pro Barrel halten, so die Analysten.
Commerzbank sieht Brentöl im 2. Halbjahr 2024 wieder bei 90 Dollar
Außerhalb der Wall Street rechnen die Rohstoffexperten der Commerzbank mit einem durchschnittlichen Preis für Brentöl von 86 Dollar. Ihren Einschätzungen zufolge dürften die Produktionseinschränkungen der OPEC+ den Ölmarkt Anfang 2024 trotz der schwächeren Nachfrage im Gleichgewicht halten, was die gegenwärtigen Sorgen vor einem Überangebot zerstreuen sollte und für eine Preiserholung auf 80 Dollar je Barrel bis zum Ende des 1. Quartals spricht. Die im weiteren Jahresverlauf anziehende Nachfrage und das dadurch verursachte Angebotsdefizit sollte den Brentölpreis im 2. Halbjahr 2024 auf 90 Dollar je Barrel steigen lassen.
Heizöl abermals teurer
Nachdem die Notierungen für Gasöl, dem Vorprodukt für Diesel und Heizöl, heute Morgen leicht anziehen, wirkt sich dieses Plus auch auf die Heizölpreise aus. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen je nach Region etwa +0,90 bis +1,60 Euro pro 100 Liter mehr bezahlen als noch zum Wochenbeginn.