Seit dem 1. Juni, also nahezu schon zehn Wochen lang, läuft die atlantische Hurrikansaison, die offiziell am 30. November endet. Bislang sind die Inseln der Karibik und die US-Westküste verschont geblieben. Doch das kann sich jederzeit schnell ändern. Dieser Tatsache ist sich auch die OPEC bewusst, die in ihrem gestern veröffentlichten Monatsreport wegen der für die kommenden Wochen erwarteten Wetterkapriolen mit Ausfällen in der Ölproduktion rechnet. Das Kartell zeigt sich in dem Bericht dennoch optimistisch hinsichtlich der „Stabilität des globalen Ölmarktes“.
Zwei schwere Hurrikans im Atlantik erwartet
Das US-amerikanische Climate Prediction Center der National Oceanic und Atmospheric Administration (NOAA) erwartet in diesem Jahr etwa 13 benannte tropische Wirbelstürme im atlantischen Becken. Von diesen könnten den Wissenschaftlern zufolge zwei zu schweren Hurrikanen werden. Dies bedeutet, dass die Stürme möglicherweise die Kategorie 3 erreichen oder überschreiten und Windgeschwindigkeiten von über 179 km/h aufweisen. Den Experten zufolge wird die Hurrikansaison 2023 von der erwarteten starken El-Niño-Wetterlage beeinflusst werden, die die Entwicklung tropischer Wirbelstürme im Atlantikbecken durch zunehmende Windscherung eher unterdrückt. Alles in allem erwartet das NOAA aber eine allenfalls durchschnittliche Hurrikansaison.
Öllager unterdurchschnittlich gefüllt
Diese Einschätzung dürfte den einen oder die andere Analystin durchaus verwundern, liegen die Lagerbestände an Benzin und Mitteldestillaten in den Vereinigten Staaten und Europa unter dem Durchschnitt. Zudem werden in der zweiten Jahreshälfte 2023 gesunde Fundamentaldaten aus den großen globalen Volkswirtschaften erwartet. Immerhin stellte die OPEC im Leitartikel ihres Berichts fest: „Trotz der derzeit erhöhten Produktionsquoten in den Raffinerien bleiben die Benzin- und Mitteldestillatvorräte deutlich unter den jüngsten Fünfjahresdurchschnitten in den USA und Europa“.
Stabilität des Ölmarktes bleibt gewährleistet
„Mit Blick auf die Zukunft könnten Raffineriewartungen und mögliche Produktionsausfälle während der Hurrikansaison in den USA möglicherweise eine Verknappung des Marktes im Atlantikbecken zur Folge haben. Dies würde zu stärkeren wirtschaftlichen Anreizen für Produktströme von Ost nach West führen“, schreiben die Ökonomen des Kartells in dem Bericht. Gleichzeitig würden die Erwartungen einer robusten Ölnachfrage in der zweiten Jahreshälfte sowie die Bereitschaft der OPEC+, jederzeit und bei Bedarf in den Markt einzugreifen, „die Stabilität des globalen Ölmarktes gewährleisten“, so die OPEC weiter.
Darüber hinaus stellte die OPEC fest, dass sich die Aussichten für die Fundamentaldaten des Ölmarkts im Juli verbessert haben. Dies spiegele sich nicht zuletzt in der Stärkung der Marktstruktur wider. So würden mittlerweile alle wichtigen Ölpreise an den Terminmärkten (Lieferungen in der Zukunft) wieder unter den Preisen liegen, die derzeit an den Kassamärkten gezahlt würden.
OPEC: Nachfrage steigt 2023 um 2,4 Millionen Barrel pro Tag
In ihrem Bericht ließ die OPEC ihre Prognose für das Wachstum der weltweiten Ölnachfrage im Jahr 2023 gegenüber dem Bericht vom letzten Monat unverändert und erwartet ein Nachfragewachstum von 2,4 Millionen Barrel (a 159 Liter) pro Tag. Die weltweite Gesamtnachfrage wird in diesem Jahr voraussichtlich durchschnittlich 102,0 Millionen Barrel pro Tag betragen.
Ölbedarf wächst auch 2024 weiter
Für das nächste Jahr geht das Kartell davon aus, dass die weltweite Ölnachfrage im Vergleich zu 2023 um weitere 2,2 Millionen Barrel pro Tag steigen wird. Als Gründe werden ein solides globales Wirtschaftswachstums und eine anhaltende Wirtschaftserholung in China genannt, die den Verbrauch voraussichtlich ankurbeln werden. Im Jahr 2024 erwartet die OPEC einen weltweiten Gesamtölbedarf von durchschnittlich 104,3 Millionen Barrel pro Tag.
Ölpreise könnten bis Jahresende auf über 90 US-Dollar klettern
Summa summarum lieferte das gestern präsentierte Zahlenwerk des Ölkartells den Märkten nicht genügend Impulse, um die in den letzten Wochen stark gestiegenen Ölpreise weiter nach oben zu treiben. Dennoch könnte nach Einschätzung von Analysten das erwartete Angebotsdefizit in Höhe von 2 Millionen Barrel pro Tag die Preise der beiden großen Ölsorten Brent und WTI im weiteren Jahresverlauf über die Marke von 90 US-Dollar klettern lassen.
Heizölpreise legen Verschnaufpause ein
Noch wesentlich stärker als die Rohölpreise steigen seit Wochen die Notierungen für Gasoil, das als wichtigster Indikator für die Diesel- und Heizölpreise gilt. Nachdem die Preise für Gasoil zuletzt mehr und mehr den fundamentalen Gegebenheiten an den Ölmärkten davongelaufen waren, legen die Notierungen zumindest zum Wochenschluss erst einmal eine Verschnaufpause ein. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen daher heute im Schnitt voraussichtlich etwa -1,90 bis -2,70 Euro pro 100 Liter weniger bezahlen als zum Donnerstag.