Das fragile Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ist durch die Corona-Pandemie heftig durcheinandergerüttelt worden. Zum einen bleibt der Ölbedarf coronabedingt schwach, nicht zuletzt weil die Beschränkungsmaßnahmen inzwischen wieder verschärft werden. Zum andern haben die Ölproduzenten der Welt zwar ihre Förderung seit Mai reduziert, um die schwindende Nachfrage aufzufangen, doch inzwischen steigen die Mengen wieder. Im neuen Jahr könnte es damit durchaus zu einer Überversorgung kommen, die die Preise wieder in den Keller schicken könnte.
Angebot und Nachfrage im Ungleichgewicht
Nach dem verheerenden Einbruch der Ölpreise im April trat die OPEC auf den Plan und verhandelte mit ihren Partnern eine Förderkürzung historischen Ausmaßes. Die beteiligten Länder erklärten sich bereit, ab Mai insgesamt 9,9 Millionen Barrel (à 159 Liter) täglich vom Markt zu nehmen. Die freiwilligen Produktionsbeschränkungen zeigten recht schnell die gewünschte Wirkung und da sich auch das Ölnachfragewachstum in den Sommermonaten recht schnell erholte, führte die Kombination aus mehr Nachfrage und weniger Öl zu einer Stabilisierung der Preise.
Die OPEC hob daraufhin im Juli ihre Förderquoten wieder etwas an und kürzte nur noch um 7,7 Millionen Barrel. Doch inzwischen hat sich die positive Stimmung des Sommers eingetrübt. Während die Nachfrageseite unter der heftigen zweiten Welle der weltweiten Covid-19-Infektionen leidet, fürchten die Marktteilnehmer von der Angebotsseite eine regelrechte Ölschwemme.
OPEC soll es richten
Zum einen steigt die Ölproduktion des OPEC-Mitglieds Libyen seit einigen Wochen schon rapide an. In dem bürgerkriegsgebeutelten Land waren seit Januar die Ölanlagen blockiert gewesen, so dass nur noch minimale Mengen gefördert werden konnten. Doch nun herrscht Waffenstillstand und die Ölproduktion nimmt wieder fahrt auf. Aktuelle Zahlen legen nahe, dass schon bis Ende November täglich etwa eine Millionen Barrel lybisches Öl auf den Markt gespült werden könnten.
Gleichzeitig will die OPEC zu Anfang Januar ihre Quoten – so wie im Frühjahr geplant – erneut anpassen. Damit würden zusätzlich zu den Mengen aus Libyen jeden Tag noch einmal 2 Millionen Barrel verteilt auf die restlichen OPEC-Länder kommen. Der Markt müsste dann ab Januar 3 Millionen Barrel Öl mehr als bisher verkraften, was die meisten Experten angesichts der fraglichen Nachfrageentwicklung als schwierig empfinden.
An den Ölmärkten wird die Forderungen einer Verschiebung der Quoten immer lauter, allerdings will man sich von offizieller Seite bei der OPEC noch nicht äußern. Allerdings sagte Russlands Präsident Putin am Freitag, es sei nicht ausgeschlossen, die Quotenanpassung nach hinten zu schieben. Russland ist der wichtigste Partner der OPEC und bildet gemeinsam mit Saudi-Arabien die Führung dieser als OPEC+ bekannten Gemeinschaft.